Sensis Glas Test

Ich begann meine Testreihe in aller Ruhe alleine zu Hause am Esstisch mit einem trockenen Weisswein Clos Montblanc Xipella Blanco, aus der Weinregion Conca de Barberà in Katalonien. Diesen Wein kannte ich bisher nur von unserer Weinprobe beim spanischen Hersteller, und so war ich alleine auf Grund der unterschiedlichen Örtlichkeit schon sehr gespannt, wie er mir in München schmecken würde. Je nach dem, wie sich die klimatischen Tagesbedingungen am Ort der Weinprobe entwickeln, lassen sich schon so feine Geschmacksunterschiede feststellen. Hierzu bleibt festzuhalten, dass sich spanische Weine im etwas kühleren Deutschland in offenem Zustand meistens leicht anders entfalten, als man es im Regelfall von den dortigen Verhältnissen gewohnt ist. Nun aber zum Test. Bereits beim Auspacken der Weißweingläser war mir während der Sichtkontrolle der nahtlose Übergang zwischen Kelch, Stiel und Fuß angenehm aufgefallen. 

Das Sensis plus Glass Superior wurde mit zwei bis drei Schlucken Wein befüllt, ebenso das gleiche Superior Normalglas welches ich daneben plazierte. Drei Schlucke Wein lassen in einem Weißweinglas mit verhältnismäßig kleinem Kelch, genügend Freiraum für eine gute Aromaentfaltung, so dass von der Füllmenge her, im Verhältnis zur Kelchgröße betrachtet kein Nachteil einer eventuellen Geschmacksverfälschung zu befürchten war. Nach zwei bis drei Minuten, mehrmaligem Schwenken des normalen Glases und der Wahrnehmung eines frühlingshaften Aromas durch die Nase, nahm ich den ersten Schluck. Der übliche Vorgang, der Wein wird gekaut und mit der Zunge hin und her bewegt. Schluck und Geruch waren wie gewöhnlich, wenn auch der Gesamteindruck des Weins sich im Abgang leicht anders zeigte, als im vergangenen Herbst in Spanien. Hierzu sollte man sich vergegenwärtigen, dass sich Wein auf drei Arten harmonisch entfaltet. Farbe, Geruch und Geschmack. Der Geschmack ist eng mit dem Geruch gepaart und kann sich angenehm mit ihm überschneiden bzw. ergänzen. Die Wahrnehmung der Farbe eines Wein geht mehr oder weniger unbewusst immer mit einer bestimmten Erwartungshaltung an Geruch und Geschmack einher. Die vollständige Wahrnehmung aller Nuancen eines Weins tritt aber erst nach dem Herunterschlucken ein, da das gesamte sensorische Geschmacksspektrum nur wahrgenommen werden kann, wenn er seinen Weg in den Magen antritt. Dieser Umstand hängt mit der Anordnung der Geschmacksknospen (Sensoren) auf der Zunge des Menschen zusammen. Einige dieser Knospen können erst beim Schlucken mit Flüssigkeit benetzt werden, da sie so weit hinten dicht vor dem Rachenraum liegen. 

Halten wir noch einmal gedanklich kurz fest: Normalglas, guter primärer Eindruck, guter Geschmack und guter Abgang. Jetzt kam das Sensis Glas an die Reihe. Die selbe Prozedur, schwenken, riechen, Hm? Schwenken, riechen und probieren, ------------?? Unmöglich, das bildest du dir nur ein! Wie soll man das beschreiben? Die Unterschiede begannen schon beim Schwenken. Das Aroma erschien mir voller, breiter gefächert, angenehm intensiver, nuancenreicher und feinstofflicher. Ebenso die geschmackliche Wahrnehmung im Mund, am Gaumen und auf der Zunge. Kennen sie den Effekt, wenn man einen angenehmen Geschmack im Mund wahrnimmt, dass man gleichzeitig einen intensiveren Geruchseindruck in der Nase zu verspüren meint? (Ich hatte ja noch gar nicht herunter geschluckt!) Der Geschmack im Mund war facettenreicher, voller, feiner, spritziger und wiederum angenehm intensiver. (Jetzt wurde geschluckt!) -------? Stille! Die Wahrnehmung des Geruchs schien sich nochmals zu erhöhen, Moment, ich schluckte ja gerade. 

Der Abgang führte mich durch eine lange Galerie der angenehmen und frischen Geschmacksempfindungen, (gut, ich probierte Weißwein.) War das wohlige, ganz leichte Gefühl im Magen nach dem ersten Schluck etwa auch stärker? Schluss jetzt! Wo bitte fängt Einbildung an? Lehne dich zurück und versuche objektiv zu urteilen! Es gelang mir nicht. Ich schaute auf die Gläser, die Rotweingläser waren noch gar nicht ausgepackt. Ich überflog zum wiederholten Mal die Beschreibung, was machst du jetzt? Es ist schwer Geschmacksempfindungen objektiv beschreiben zu wollen, wenn das subjektive Empfinden der Art vorrangig ist. Ich schaute auf die Gläser und die darin befindlichen Weinreste. Flugs nach geschenkt, schwenken, riechen, kurz inne halten, schwenken, nochmaliges Riechen und getrunken, - wie zuvor verblieb der Wein erst einmal etwas im Mundraum - und geschluckt. Ich hatte das normale Glas nicht mit aufgefüllt. Ich konzentrierte mich nur noch auf das Sensis Plus, der Wein daraus schmeckte einfach wunderbar. Jetzt war es endgültig vorbei mit dem Versuch objektiv sein zu wollen. Ich schaute erneut auf die immer noch verpackten Rotweingläser. Okay, der Weißwein wanderte mit Korken versehen erst einmal in den Kühlschrank, die Rotweingläser blieben weiterhin eingepackt. Ich setzte mich zurück an den Esstisch, dachte vor mich hin und schwenkte geistesabwesend den verbliebenen Wein im Glas. Immer wieder! Ich versuchte das gerade Erlebte wenigstens halbwegs einzuordnen. Natürlich beurteilt man als Händler Weine die man selber vertreibt subjektiv. Nachdenken, ich ertappte mich weiterhin beim Herumschwenken der Weinreste im Glas, der Denkapparat war ja hinreichend beschäftigt. 

Moment mal eben! Wieso kam mir das Fließbild der innen an der Glasoberfläche herab laufenden Flüssigkeit im Normalglas anders vor als im Sensis Glas, mit dem ich jetzt gerade begonnen hatte herum zu spielen? Stimmte das überhaupt? Ich schaute nochmals hin. Ja, das war richtig. Ich hielt das jeweilige Glas gegen das Tageslicht, schwenkte und schaute genauer nach. Eindeutig! Wie war das doch gleich mit den Adhäsionskräften? Ich versuchte in lange zurück liegenden Erinnerungen aus dem Physikunterricht zu blättern. Und wie sah das Kräfteverhältnis bei Flüssigkeiten in diesem Zusammenhang mit Glasoberflächen aus? Das Ablaufen der Flüssigkeit an der Innenwand des Sensi Glases erschien mir weicher und harmonischer. Fast als wären die Adhäsionskräfte (Adhäsion bezeichnet das Aneinanderhaften stofflich unterschiedlicher Moleküle) im Sensis plus Glas geringer als im Normalglas. Sollte es im Molekularbereich eventuell eine größere Oberfläche oder andere Struktur aufweisen? Da lohnte es sich noch einmal genauer darüber nachzudenken! Der Hersteller spricht in seiner Beschreibung von einem neuartigen Verfahren der Glasveredelung. Hm, wie verfahre ich jetzt weiter? Gut, beide Gläser wurden vorsichtig mit Spülmittel gereinigt und sorgfältig abgetrocknet. Ich aß etwas Weißbrot und versuchte mit dem Fingernagel an der Innenwand vom Kelch des aktiven Sensis Glases zu kratzen, in der Hoffnung so etwas zu erspüren. Welch ein lächerlicher Versuch! Die anfängliche Sichtkontrolle hatte keine optisch wahrnehmbaren Unterschiede zwischen beiden Glasarten erbracht. Es hätte mich wirklich gewundert, wenn ich etwas hätte fühlen können. Nochmalige Abwaschprozedur, ich machte zwischenzeitliche Schwenkversuche zur Abwechslung einmal mit normalem Leitungswasser. Mit gleichem Ergebnis wie vorhin! Im Kelch des normalen Glases war das Fleißbild anders als im Sensis plus Glas. Erneuter Abwasch und anschließendes Spülen mit ganz heißem Wasser, danach wurde mit einem frischen Handtuch abgetrocknet, wegen etwaiger Fettreste. Der Griff in den Kühlschrank nach der angebrochenen Weinflasche war reine Formsache. Und ja, das "Aktiv Glas" wurde mit einem größeren Schluck bedacht als das Normalglas. Eine dreiviertel Stunde war seit dem ersten Test vergangen. Die Ergebnisse fielen ähnlich wie beim ersten Mal aus. Es wunderte mich nicht mehr! Natürlich stellt sich in solchen Situationen die Erkenntnis des Neuartigen ein und die subjektive Wahrnehmung verfeinert sich noch einmal. Die Rotweingläser werden heute bestimmt nicht mehr ausprobiert. Nun gut, dann verschieben wir den Test, dachte ich mir. 

Ich saß wieder am Esstisch und versuchte abzuwägen. Bleifreies Kristallglas, Luft-aktiv oder kann man sagen atmungsaktiv, atmungsfähig? Ein Glas? Was für ein Widerspruch! Die verschiedensten Assoziationen gingen mir durch den Kopf, neben der immer drängender werdenden Frage, war es jetzt schon soweit, dass der Alkohol mich langsam zu benebeln begann? Die Flasche war gerade angebrochen, ein Viertel vielleicht. Na schön, ein großzügiges Viertel. Eine Weinprobe ist aber schließlich kein Trinkgelage! Die Gedanken kreisten weiterhin, der innerliche Zwiespalt schien überhand nehmen zu wollen. Aus meiner Jugendzeit drängten sich vom Bergwandern in den Alpen Begriffe wie "Kristall und klares Quellwasser" auf. Klar, kristallklar, wie der Geschmack. Der philosophische Vergleich gefiel mir. Ja, ein Kristall ist dieses Glas, mit Sicherheit!!! Wie Sie sich sicher vorstellen können, fielen mir bei der Weinprobe mit dem Sensis Rotweinglas ein paar Tage später, keine wesentlichen Unterschiede besonders auf außer, dass ein kräftiger Rotwein Negre Crianza von Bodegas Marfil aus der Weinbauregion Alella für den Test herhalten durfte. Der Test erfolgte ebenfalls in mehreren zeitlichen Abschnitten über eine Dauer von insgesamt zweieinhalb Stunden, wobei die 0,75 Ltr. Rotweinflasche bis zur Hälfte geleert wurde. Die aromaintensivierende Wirkung und geschmackliche Verfeinerung war bei diesen Verkostungen ebenfalls jedes Mal deutlich wahrzunehmen, der Wein versorgte mich mit einem vollkommen ungewohntem und neuartigem Aromaspektrum. Kellermeister, Weintester und professionelle Verkoster sollten sich überlegen, diese Glasart generell für zur Degustation zu verwenden. Weinsensorik von Fachpersonal wird hiermit hervorragend mit allen wichtigen Eindrücken für eine umfassende Beurteilung der Qualität versorgt. Die Differenzierung aller Geschmacksaspekte fällt nicht nur bei Wein wesentlich leichter, da diese innovative Technik der Glasbearbeitung dem kritischen Tester die Möglichkeit eröffnet Geschmacksrichtungen objektiv beurteilen zu können.

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